(kunid) An den Finanzmärkten ist Corona in den Hintergrund gerückt: Die Pandemie wurde von der Inflation als bestimmendes Thema abgelöst. Auch wenn die Bullen zuletzt die Oberhand behielten, zogen dunkle Wolken am Börsen-Himmel auf: Unterschiedliche Faktoren treiben die Inflation in die Höhe.
Wie eine Fondsmanager-Umfrage der Bank of America im Frühjahr ergab, hat Inflation der Pandemie den Rang abgelaufen und ist mittlerweile an die Stelle des Top-Risikos Nummer eins gerückt.
Ein Anstieg der Inflation in den USA war erwartet worden, der Sprung auf schätzungsweise 4,6 % im Mai, aber auch der stärkste Inflationsanstieg in einigen europäischen Städten im Zehn-Jahres-Vergleich sorgten für Aufregung.
„Der erhöhte Inflationsdruck ist zum Teil eine logische Folge der Wiederöffnung der Wirtschaft. Zuletzt wurde viel angespart, nun werden die Ersparnisse auf den Markt losgelassen“, sagt Christian Nemeth, Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank Österreich AG.
Dank der Nachfrage werden sich die Unternehmer ihrer Preissetzungsmacht bewusst. Doch die Inflation ist ein vielschichtiges Phänomen und die wesentliche Frage ist, ob der Inflationsdruck temporärer Natur ist oder sich ein neuer Inflationspreistrend bildet.
Inflationsgespenst als Dauergast?
Die Finanzcommunity ist aktuell in zwei Lager gespalten.
So basiert die Ansicht des ersten Lagers auf der Annahme, dass die starken Stimulus-Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen die Inflation antreiben und sich ein längerer Preisauftrieb manifestiert.
Die Notenbanken müssten dann früher restriktiver werden und würden der starken Aktienmarktentwicklung ein vorläufiges Ende setzen.
Eine länger anhaltende Phase hoher Inflation könnte eintreten, wenn Friktionen in der Wirtschaft hartnäckig bestehen bleiben, die Lieferketten längerfristig nicht funktional sind, es zur Umschichtung von Produktionsstandorten im Zuge der Loslösung von globalen Lieferketten kommt, oder – wie in den USA ersichtlich – Fachkräftemangel zu Lohnpreiserhöhungen führt.
Optimistisches Szenario: Brüchiger „Inflationsbuckel“
Die Zürcher Kantonalbank Österreich gehört dem zweiten Lager an, nach dem die Preissteigerungen temporärer Natur sind und das Preisniveau aufgrund der befristeten Wirkung von Nachholeffekten sinken wird bzw. die Preissteigerungen nur auf bestimmte Güter zutreffen werden.
„Es ist schon richtig, dass ein deutlich wahrnehmbarer Inflationsbuckel aufgebaut wird, der sich jedoch mittelfristig – vielleicht nicht ganz so schnell wie erwartet – wieder auflöst“, so Nemeth.
Experten gehen daher davon aus, dass die Fed im Herbst eine Reduktion der Wertpapierkäufe ankündigen und ab Anfang 2022 effektiv mit der Drosselung beginnen wird. Weiters wird davon ausgegangen, dass sich der Tapering-Prozess über das nächste Jahr erstreckt, und die US-Notenbank Fed danach eine Pause einlegen möchte, bevor sie Zinserhöhungen in Erwägung zieht. Passiert das, ist mit einem Zinsschritt erst in knapp zwei Jahren zu rechnen.
Klar ist: Je länger das Gewinnwachstum und die Unterstützung durch die Notenbanken anhalten, umso besser läuft es für Aktien.
Positiver Wirtschaftsausblick für Europa
Die Eurozone kommt aus den Startlöchern und wandelt konjunkturell gesehen auf den Spuren der USA, deren Wirtschaft sich früher erholt hat.
Die Früh- und Vorlaufindikatoren sprechen für ein kräftiges und breit abgestütztes Wachstum in Europa. So nahmen die Firmenaufträge im Mai so stark zu wie zuletzt vor 15 Jahren. Insbesondere der Dienstleistungssektor gewinnt nun rasch an Fahrt, während die Industrie von einem besseren Auftragsvolumen profitiert und weiter mit Volldampf unterwegs ist.
Das sollte dem europäischen Aktienmarkt Schwung geben.
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