21.09.2018

Wie soll sich das mit den Pensionen ausgehen?

Die Agenda Austria ist ein in Wien angesiedelter Think Tank, der für drängende wirtschaftliche Fragen Antworten findet. So schlägt der Pensionsexperte Wolfgang Nagl vor, dass das heimische Pensionsmodell nach dem Vorbild Schwedens reformiert werden solle.

Wolfgang Nagl ist Ökonom und Pensionsexperte bei der Agenda Austria – im Gespräch skizziert er, was es mit sich bringt, wenn wir immer älter werden, das Pensionsantrittsalter aber gleich bleibt.

Wie lässt sich unser Pensionssystem fürderhin finanzieren – und was können wir von den Schweden lernen?

Generell gefragt: Was bedeutet das für eine Volksökonomie, wenn die Schere zwischen Pensionsantrittsalter und der Lebenserwartung immer weiter auseinanderklafft?

Die Zeit im Ruhestand ist seit 1970 deutlich angestiegen: Im Jahr 1970 bezogen die Frauen 18,5 Jahre lang, die Männer 13,7 Jahre lang die Pension.

Aktuell liegt die Pensionsbezugsdauer für die Frauen bei 26,7 Jahren und für die Männer bei 21,5 Jahren. Der Grund dieses starken Anstiegs ist die Kombination aus der steigenden Lebenserwartung und des sich über die Zeit kaum verändernden effektiven Pensionsantrittsalters der Österreicher.

Der Anstieg bei der Lebenserwartung ist natürlich erfreulich, die steigende Pensionsbezugsdauer, bei einem konstanten effektiven Pensionsantrittsalter, hat aber spürbare Konsequenzen für das Pensionssystem: Es muss immer mehr Geld aus dem Staatshaushalt in das Pensionssystem zugeschossen werden.

Können Sie hier Prognosen geben?

Die Prognosen zeigen, dass die Ausgaben zukünftig noch weiter ansteigen werden. Der aktuelle Ageing Report der Europäischen Kommission verdeutlicht, dass die Ausgaben für die Pensionen als Anteil am BIP von heute 13,8 % bis 2040 auf 14,9 % ansteigen und dann nur langsam wieder abfallen werden.

Aktuell ist auch die Babyboomer-Generation dabei, in die Pension überzugehen. Als Konsequenz wird sich die Bevölkerungsstruktur stark verändern: Da die Altersgruppe der Über-65-Jährigen stärker anwächst als der Rest der Bevölkerung, müssen immer mehr Pensionisten von den Erwerbstätigen finanziert werden.

So kommen auf einen Pensionisten aktuell noch 3,3 Personen im erwerbsfähigen Alter. Im Jahr 2037 werden dies bloß noch 2,2 Erwerbsfähige sein.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem „Geschlechter-Gap“, wenn Frauen also tendenziell älter werden?

Frauen gehen früher in Pension und leben länger. Diese zwei Faktoren verursachen, dass sie aktuell mehr als ein Vierteljahrhundert in Pension verbringen (26,7 Jahren).

Das wirkt sich natürlich negativ auf die Finanzierbarkeit des Pensionssystems aus. Schon heute liegt Österreich, laut Bericht der Europäischen Kommission, im Spitzenfeld bei den Pensionsausgaben.

Lediglich Griechenland, Frankreich und Italien hatten im Jahr 2016 mehr Ausgaben, gemessen an der jeweiligen Wirtschaftskraft.

Wie lässt sich unser Pensionssystem fürderhin – „besser“ – finanzieren?

1980 zahlte die Republik rund 9,9 Mrd€ an Pensionen aus, von denen im selben Jahr 5,8 Mrd€ von den Erwerbstätigen an Beiträgen geleistet wurden.

Für das Jahr 2015 betrugen die Pensionsleistungen rund 50,9 Mrd€, von denen aber nur etwa 29,3 Mrd€ aus Beiträgen stammten.

Der aktuelle Ageing Report der Europäischen Kommission zeigt, dass die Ausgaben für die Pensionen als Anteil am BIP bis 2036 ansteigen werden und dann relativ konstant bleiben.

Was sind daher Ihre Forderungen?

Die Agenda Austria plädiert dafür, Reformen nach dem Vorbild Schwedens durchzuführen: Dort hängt die Höhe der Pension auch davon ab, wie lange sie voraussichtlich bezogen wird – also von der Lebenserwartung.

In Österreich sollte daher das Pensionsantrittsalter automatisch an die – jedes Jahr um gut zwei Monate steigende – Lebenserwartung angepasst werden. Damit wäre unser Pensionssystem nachhaltig finanzierbar, ohne dass die Jüngeren dafür zur Kasse gebeten werden.

Dass das Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt ist, ist auch keine Ausnahmeregelung in Schweden. Weitere Länder wie Dänemark, Griechenland, Italien, Zypern, die Niederlande, Slowakei und Finnland koppeln bereits das gesetzliche Pensionsalter an die Lebenserwartung.

Auch im Vergleich mit anderen OECD-Ländern: Die Pensionsdauer ist selten so lange wie in Österreich?

Bezüglich der Pensionsdauer liegt Österreich im internationalen Vergleich im Spitzenfeld. Im Durchschnitt aller OECD-Länder liegt die Pensionsdauer für Frauen bei 22,5 Jahren und für Männer bei 18,1 Jahren.

In Österreich liegt sie für Frauen bei 26,7 Jahren und für Männer bei 21,5 Jahren. D.h., Männer gehen gemessen am Durchschnitt aller OECD-Länder um mehr als drei Jahre, Frauen um mehr als vier Jahre früher in Pension.

Ein Grund ist das niedrige gesetzliche Pensionsantrittsalter der Frauen, welches aktuell bei 60 Jahren liegt.

Welche politischen Konsequenzen müsste man hieraus ziehen?

Das Frauenpensionsalter sollte deswegen schneller von derzeit 60 auf 65 Jahre angehoben werden. Nach den derzeitigen Bestimmungen würde das erst im Jahr 2033 der Fall sein. Nur Beamtinnen müssen jetzt schon bis zum Alter von 65 arbeiten, um eine Pension zu beziehen.

Das führt dazu, dass Österreich im Jahr 2020 das niedrigste Pensionsantrittsalter für Frauen in der EU haben wird.

Das Antrittsalter von 60 Jahren führt dazu, dass Frauen sehr niedrige Pensionen haben, weil sie gerade in den Jahren, in denen sie oft mehr verdienen als zuvor, nicht mehr für ihre Pension einzahlen bzw. ansparen können. Begleitende Maßnahmen – wie Anreize für Unternehmer zur Anstellung älterer Arbeitnehmer oder für „gesündere“ Arbeitsplätze – würden dafür sorgen, dass mehr Ältere ihre Jobs behalten bzw. neue finden.

Nächste Woche wird hier der bekannte Pensionsexperte Bernd Marin Lösungen zur Pensions-Thematik vorstellen.


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