(kunid) Das Papier sieht Reformbedarf für das derzeitige Entschädigungsmodell und enthält ein Plädoyer für eine verpflichtende Natkat-Versicherung.
Die Hochwasserereignisse im Zeitraum 14. bis 21. September haben nach Schätzungen des Versicherungsverbandes (VVO) aus dem letzten Monat bis zu 700 Millionen Euro an versicherten Schäden verursacht.
Bekanntlich ist aber nur ein Teil der Schäden versichert, der gesamte wirtschaftliche Schaden fällt deutlich höher aus.
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), das Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) und der Complexity Science Hub (CSH) haben nun eine erste Schätzung über das Gesamtausmaß abgegeben.
Den Zahlen zufolge beläuft es sich auf etwa 1,3 Milliarden Euro. Infrastrukturschäden sind mangels verfügbarer Daten hier noch gar nicht einkalkuliert. Für Privathaushalte wurden die Daten des VVO herangezogen und mit 700 Millionen Euro angesetzt.
Rund 680 Unternehmen stark von Überflutungen betroffen
Zur Berechnung der Verluste im Industriesektor wurden zum einen direkte Schäden herangezogen. Dazu zählen beispielsweise die Vernichtung von Lagerbeständen oder Betriebsunterbrechungen der Unternehmenstätigkeit, etwa wegen Aufräumarbeiten oder zerstörter Maschinen.
Auch den indirekten Einfluss der Überflutungen auf die regionale Wirtschaft haben die Forscher berechnet und dabei Ausfälle von Betrieben, die über Lieferketteneffekte betroffen waren, berücksichtigt.
In Medien war zuletzt von etwa 900 betroffenen Unternehmen die Rede. Das kommt den im Bericht ermittelten Daten nahe: Diesen zufolge wurden 841 in Mitleidenschaft gezogen, davon 676 stark.
„Während einzelne davon sicherlich verheerende Verluste hinnehmen mussten, hält sich der Schaden in Bezug auf die jährliche Gesamtwertschöpfung des Bundeslands Niederösterreich mit 0,03 bis 0,09 Prozent in Grenzen“, heißt es im Bericht weiter. „In Zahlen sind das etwa 300 bis 900 Millionen Euro.“
Fast 15 Millionen Euro Schaden in der Landwirtschaft
Was die Schäden in der Landwirtschaft betrifft, stützt sich die Analyse auf Schätzungen der Österreichischen Hagelversicherung, die von einem Verlust in Höhe von 10 Millionen Euro ausgeht.
„Dabei handelt es sich aber um keine exakte Abbildung der Verluste, da ein Selbstbehalt bei Ernteausfällen zu tragen ist und auch nicht alle Landwirte versichert sind“, wird erläutert.
Um das Gesamtschadensausmaß zu ermitteln, sind Geodaten verwendet worden, um jene Ernten zu identifizieren, die sich auf den betroffenen Feldern befanden. Dies betrifft vor allem Getreide, Mais und Zuckerrüben. Demzufolge wurde eine maximale Schadenssumme von 14,7 Millionen Euro berechnet.
Extremereignisse werden häufiger und intensiver
Starkregen und nachfolgende Überflutungen wie im September sind Extremwettereignisse, die „aufgrund des Klimawandels häufiger, vor allem aber intensiver“ auftreten werden, sagt ASCII-Vizedirektor und Wifo-Ökonom Klaus Friesenbichler.
Laut der Analyse war Österreich insgesamt gut auf mögliche Überflutungen vorbereitet. Durch Präventionsmaßnahmen habe ein noch größerer Schaden verhindert werden können; signifikante Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe auf Österreichs Wirtschaft seien „unwahrscheinlich“.
Derzeitiges Kompensationsmodell reformbedürftig
Allerdings scheint das Kompensationsmodell „suboptimal“ zu sein. Das Papier schneidet hier den Umstand nicht vorhandener Versicherungsdeckungen an, die teils deshalb fehlen, weil die Versicherungsprämien für adäquaten Schutz „unleistbar“ sind.
Die meisten Betroffenen sind von ihren Reserven, von Spenden und vom Katastrophenfonds abhängig, und es gibt wenig Anreize, nicht in Hochrisikozonen zu bauen.
Plädoyer für obligatorische Natkat-Versicherung
Die Autoren halten eine verpflichtende Naturkatastrophen-Versicherung für „geeigneter“ als eine staatliche Entschädigung ad hoc: Versicherer mit etablierten Strukturen für die Schadenerledigung könnten solche Ereignisse abdecken. So bestünde auch ein Leistungsanspruch der Geschädigten.
Mittels Risikoverteilung könnten die Versicherer in einem solchen Modell niedrigere Prämien anbieten; auch wären höhere Risiken mit höheren Prämien verbunden, sodass Schäden nicht undifferenziert das Budget belasten. Wo das Prämienvolumen nicht mehr ausreicht, könne der Staat finanziell zuschießen.
Nachgedacht werden könnte auch darüber, dass zumindest ein Teil des „Klimabonus“ in einen Klimaschadenfonds überführt wird, der Prämien bezuschusst.
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