21.10.2019

Die Zukunft des österreichischen Pflegesicherungssystems

(kunid) Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und das Österreichische Institut für Wirtschafsforschung (WIFO) widmeten sich im Rahmen der 13. Sozialstaatsenquete der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher heimischer Pflegesicherungssysteme. Die Ergebnisse sind teils alarmierend, jedenfalls eine Erinnerung, die persönliche Vorsorge jetzt in die Hand zu nehmen.

Das Österreichische Institut für Wirtschafsforschung (WIFO) und der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger widmeten sich in ihrer aktuellen Sozialstaatsenquete der Frage nach der Zukunft unseres Pflegesicherungssystems. Die Lage ist klar:

Derzeit beziehen bereits rund 460.000 Menschen in Österreich Pflegegeld. 2,6 Mrd. Euro Pflegegeld wurden 2018 ausbezahlt.

„Durch die grundsätzlich positive Entwicklung einer immer älter werdenden Gesellschaft, die wir auch unserem solidarischen Gesundheitssystem zu verdanken haben, werden höhere Kosten der öffentlichen Hand prognostiziert“, schickte der Vorsitzende des Verbandsvorstands im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Alexander Biach, voraus.

Berechnungen des WIFO zeigen eine deutliche Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Pflegedienstleistungen von über 300 % bis 2050. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen realen Steigerungsrate von 4,4 %.

Europäische Systeme im Vergleich

„Nach wie vor liegen keine belastbaren Konzepte zur zukünftigen Organisation und Finanzierung des Pflegewesens am Tisch. Die nächste Bundesregierung wird sich dieser Herausforderung allerdings endlich stellen müssen – das sollte bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen außer Streit gestellt werden“, so WIFO-Leiter Christoph Badelt.

Österreich hat im europäischen Vergleich mit rund 1,5 % der Wirtschaftsleistung bislang verhältnismäßig geringe Ausgaben für die Langzeitpflege. Die europäischen Länder geben zwischen 2,9 % (Norwegen) und 0,12 % (Griechenland) der Wirtschaftsleistung aus.

Während derzeit z.B. in Norwegen die öffentlichen Leistungen der Langzeitpflege durch das allgemeine Steueraufkommen finanziert werden, ist die Langzeitpflege in Deutschland in einem Pflegeversicherungssystem als weitere Säule der Sozialversicherung (neben der Pensions-, Kranken und Unfallversicherung) beitragsfinanziert.

Pflegeversicherung braucht begleitende Abgabenstrukturreform

„Die Wirkungen eines Steuer- bzw. Beitragssystems hängen von den konkreten Ausgestaltungen ab. Eine Pflegeversicherung ohne begleitende Abgabenstrukturreform hätte negative Auswirkungen auf Beschäftigung und Wachstum“, erklärte die stellvertretende Leiterin des WIFO, Ulrike Famira-Mühlberger.

In Deutschland wurde seit 1995 der Weg einer Pflegeversicherung in Form einer gesetzlichen Pflichtversicherung gewählt. Auch für Österreich wird nun von mehreren Seiten eine solche Versicherung angedacht.

„Das deutsche Beispiel zeigt, dass eine Sozialversicherung ein geeignetes Instrument ist, um gleichermaßen die familiäre Pflege zu unterstützen und eine ausreichende Pflegeinfrastruktur in der ambulanten und stationären Pflege zu gewährleisten“, so der Direktor des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen, Heinz Rothgang.

Werden die Leistungen der Pflegeversicherung jedoch nicht an die Preisentwicklung für Pflegeleistungen angepasst, drohe ein „Verlust der Funktionsfähigkeit des Versicherungssystems und Pflegebedürftigkeit wird wieder zum Armutsrisiko“, so Rothgang.

Verpflichtende Valorisierungen bei Pflegegeld

„Angesichts der wenigen ad-hoc-Anpassungen seit 1993 hat das Pflegegeld seit der Einführung deutlich an Wert verloren. Daher ist die im Sommer beschlossene verpflichtende Valorisierung ein wichtiger Schritt, damit sich Pflegebedürftige auch in Zukunft auf den Sozialstaat verlassen können und nicht in die Armut abrutschen“, so Biach.

Ein weiterer Bereich ist die häusliche Pflege. Dabei ist neben der finanziellen und personellen Unterstützung von pflegenden Angehörigen auch ein besonderes Augenmerk auf Kinder und Jugendliche zu legen, die regelmäßig ein chronisch krankes Familienmitglied pflegen.

„Es braucht einen parteiübergreifenden politischen Willen, ein belastbares Pflegesicherungssystem zu schaffen, dass den demographischen Entwicklungen gewachsen ist“, so Biach abschließend, „es werden dafür zusätzliche Mittel benötigt. Ich warne aber davor, durch Umschichtungen finanzielle Mittel aus anderen Bereichen des Gesundheitssystems zu entnehmen.“


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